Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus

Bundestag, 1. März 2012, Plenardebatte zur Verbunddatei rechtsextreme Gewalttäter
Rede von Petra Pau

1. 

Wir reden über eine Verbunddatei für rechtsextreme Gewalttäter.
Zur Begründung heißt es im Gesetzentwurf: Sie soll die (Zitat) „bewährte Zusammenarbeit“ zwischen den Ämtern „sinnvoll ergänzen“.
 
Auslöser ist eine jahrelange Nazi-Mordserie mit zehn Toten. Danach von einer bewährten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden zu sprechen, das finde ich dreist und würdelos, auch gegenüber den Hinterbliebenen.

2. 

Nachdem die Nazi-Mordserie publik war, hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich drei Schlussfolgerungen angekündigt.
 
Erstens ein Abwehrzentrum gegen rechtsextremen Terror;
zweitens besagte Verbunddatei für rechtsextreme Gewalttäter,
und drittens eine Sonderkommission zu Ermittlungspannen.
 
Was Sonderkommissionen sollen, dürfen und tun, ist unklar.
 
Ein Bund-Länder-Koordinierung gegen Rechtsterrorismus gab es schon einmal. Sie stellte 2007 unverrichteter Dinge ihre Arbeit ein.
 
Ebenso gab es eine Spezialdatei für rechtsextreme Kameradschaften.
Das Bundeskriminalamt löschte sie 2010.
 
Kurzum: Wir erfinden gerade nicht den Stein der Weisen.
Es geht um alte Hüte, erst abgelegt, nun aufpoliert.

3. 

Die Verbund-Datei soll vor allem Erkenntnisse der Kriminal- und Verfassungsschutz-Ämter von Bund und Ländern bündeln. Dazu wird es eine Anhörung im Innenausschuss geben.
Deshalb vorab nur drei Anmerkungen:
 
Erstens heißt es: Das sei eine Täter-Datei, keine Gewissens-Datei. Der Gesetzentwurf schließt aber eine Gesinnungs-Datei nicht aus.
Dem wird DIE LINKE nicht zustimmen.
 
Zweitens: Durch Sonderregelungen wird die unsägliche V-Leute-Praxis im rechtsextremen Milieu fortgeschrieben.
Das ist für DIE LINKE nicht hinnehmbar.
 
Und drittens: Lapidar wird mitgeteilt, dass verbriefte Grundrechte eingeschränkt werden.
Auch das ist so nicht akzeptabel.

4. 

Der Entwurf, um den es hier geht, heißt übrigens: „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus“.
Ich halte das für grob anmaßend.
 
Aber es erinnert daran, dass es noch immer kein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus gibt.
Das ist das eigentliche Problem.
 
Nun erwarte ich das nicht vom Innenministerium. Allerdings vom Familienministerium - obwohl eigenartig zuständig - schon gar nicht!
 
Meines Wissens gab es nach der unglaublichen Nazi-Mordserie von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zwei Reaktionen:
 
Erstens, sie sei für Prävention und nicht für Morde zuständig.
Zweitens, sie werde ein Kompetenz- und Informationszentrum schaffen.
 
Dieses Zentrum solle wertvolle Erfahrungen, auch pädagogische, im Umgang mit Rechtsextremen sammeln und streuen.
 
Inzwischen konnten wir lesen, was als pädagogisch wertvoll gilt. So sollten in Dortmund 30 militante Neonazis mit 30 demokratischen Jugendlichen plaudern, um die Nazis vom rechten Weg abzubringen.
 
Von derselben pädagogischen Güte waren Ausflüge junger Kölner CDU-Mitglieder nach Berlin-Kreuzberg. Sie sollten sich besetzte Häuser angucken, um der linken Gefahr ins Auge zu sehen.
 
Alles gefördert und finanziert mit Hilfe des Bundesfamilienministerium. Wer Ahnung hat, ist fassungslos.

5. 

Deshalb: Wir können über das Für und Wider einer Verbund-Datei streiten. Aber das eigentliche Manko liegt weiterhin brach.
 
Überhaupt: So lange Rechtsextremisten verharmlost und Antifaschisten beargwöhnt werden, so lange bleibt etwas faul in Deutschland.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video bei YouTube]

 

 

1.3.2012
www.petra-pau.de

 

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