IM WORTLAUT

DIE FRAKTION IN DEN MEDIEN

Ehrenwertes Schreddern und tödliche Kaffeesatzleserei

22. Oktober 2012

Petra Pau, Obfrau für DIE LINKE im Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die NSU-Mordserie aufklären soll, mit einem Ausblick auf die Anhörung in dieser Woche, Vorfälle um den deutschen Ku Klux Klan, das Verhältnis von Innenstaatssekretär Fritschs zum Schreddern und das Verhältnis der Ermittler zu übergossenem Kaffeemehl

Bevor ich zum Untersuchungsausschuss in dieser Woche komme, bewegen mich zwei andere Vorfälle.

Petra Pau
Nur zu!

In Baden-Württemberg soll ein Verfassungsschützer ein Führungsmitglied des Ku Klux Klan in Deutschland gewarnt haben, sein Telefon werde abgehört.

So las ich es auch. Möglicherweise folgt da noch Schlimmeres.

Vordem war bereits bekannt geworden, dass Polizisten im Ländle Ku Klux Klan-Mitglieder waren.

Im Untersuchungsausschuss hat ein FDP-Kollege zynisch gefragt, ob irgendein deutscher Ku Klux Klan-Rassist nicht bei der Polizei oder beim Verfassungsschutz angestellt war oder ist.

Auch der Thüringer Verfassungsschutz hat sich wieder bemerkbar gemacht. Er soll versucht haben, im Umfeld von Katarina König, für DIE LINKE Abgeordnete im Erfurter Landtag, einen V-Mann anzuwerben.

Offensichtlich wollte man antifaschistische Initiativen auszuspähen.

Ist das noch fassbar?

Mich überrascht fast nichts mehr.

Akten über den Ku Klux Klan sollen geschreddert worden sein, und zwar noch nach Auffliegen der NSU-Nazi-Bande.

Jetzt werde ich mal sarkastisch. Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche aus dem Bundesinnenministerium hat im Untersuchungsausschuss mehrfach beteuert: Wenn Akten vernichtet wurden, dann stets aus hehren Gründen, niemals nicht und auf keinen Fall, um etwas zu vertuschen.

Was sind die ehrenwerten Gründe, die der Staatssekretär anführte?

Der Datenschutz, genauer: Das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Personen, die in den Akten aufgeführt waren. Es gäbe halt Fristen, und dann seien diese Daten verlässlich zu löschen.

Das freut die Bürgerrechtlerin Petra Pau, oder?

Das ist eine Lachnummer. Zur Erinnerung: Im Juni flog auf, dass Akten mit NSU-Bezug vernichtet worden waren, übrigens Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Akten des Bundesinnenministeriums.

Die Aufregung war groß. Tage später hieß es: Entwarnung, man habe die Akten rekonstruieren können.

Genau das ist der springende Punkt. Entweder man hat sie vernichtet, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht Betroffener zu sichern. Dann sind die Daten weg und man kann die Akten nicht rekonstruieren. Kann man es dennoch, weil die Daten an anderer Stelle noch vorrätig sind, dann stimmt die wohlfeine Begründung schlicht nicht.

Hauptzeuge in dieser Woche ist Herr Jürgen Maurer, Vizepräsident beim Bundeskriminalamt. Worum geht es?

Zur Einordnung: Das NSU-Nazi-Trio war 1998 untergetaucht. Ihre zehn Morde fielen in den Zeitraum 2000 bis 2007.

In diesem Zeitraum war Herr Maurer was?

Bis 2002 war er im BKA unter anderem für die Organisierte Kriminalität zuständig. Danach für die Abteilung polizeilicher Staatsschutz und mithin auch für den Bereich Rechtsextremismus.

Womit wir beim NSU wären ...

... nur fast.

Wieso diese Einschränkung?

Erstens: Das BKA war bei den Ermittlungen nie federführend. Warum nicht, das gehört zu den ungeklärten Fragen. Immerhin ging es um eine bundesweite Mordserie.

Und zweitens?

Die Mörder wurden fast ausschließlich im Milieu der türkischen Opfer vermutet, wo man organisierte Kriminalität unterstellte. Nur einmal ging man hypothetisch von einem rassistischen Motiv und rechtsextremen Tätern aus.

Das war 2006, richtig?

Ja, aber nur für kurze Zeit. Auf einer BKA-Notiz fand sich dazu der Vermerk „Kaffeesatzleserei“.

Von dem aktuellen Zeugen Jürgen Maurer?

Nein, gerade ihm wird nachgesagt, dass er die rechtsextreme Spur durchaus für möglich gehalten habe.

Aber der für Staatsschutz zuständige BKA-Beamte Maurer fand offenbar beim BKA-Chef Ziercke kein Gehör. Warum?

Das ist eine von vielen Fragen, die uns weiter bewegen.

Abschließend für heute: Sieht bei dem ganzen Wirrwarr überhaupt noch jemand durch?

Nur, wenn man sich immer wieder die beiden Ursprungsfragen neu stellt. Erstens: War das Nazi-Mord-Trio wirklich 13 Jahr lang unerkannt und unbehelligt? Und zweitens: Warum wurde die rechtsextreme Gefahr so lange, so gründlich, so tödlich unterschätzt? Und warum ist das noch immer so.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 22. Oktober 2012

 

 

22.1.2012
www.petra-pau.de

 

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